Wüst und leer war die Erde, deshalb mussten Gärten her. Die Art und Weise wie wir das uns umgebende Grün behandeln und erleben kommt nicht von ungefähr: einst dienten Baumbestandene Oasen als Lebensquell, boten Schatten, Wasser und Nahrung für alle Wüstenwanderer. Mittlerweile blicken wir auf eine Jahrtausende alte Gartengeschichte zurück. Wie tief die Sehnsucht nach solchen Paradiesen von jeher in uns Menschen wohnt, zeigt die Entschlossenheit der frühen Hochkulturen: Schon vor Jahrtausenden begannen sie zu Gärtnern, und schon damals war es Kunst.
Die Gartengeschichte Ägyptens
Kaum eine Region der Welt kann auf eine so lange Gartengeschichte zurückblicken wie Ägypten. Und seit jeher ist die Lebensader des Landes der Nil. An seinen Ufern zu Leben heißt, sich seinem Rhythmus anzupassen und das wussten schon die alten Ägypter. Für die Nahrungsmittelproduktion war es entscheidend, ob der Strom nun über seine Ufer trat oder schrumpfte und aus dem Papyrus, der in den feuchten Böden wuchs (und wächst), wurde das erste Papier gewonnen. Die Abhängigkeit der Flussanrainer inspirierte die ersten Bewässerungssysteme, es wurden Kanäle ins Landesinnere gebaut und Mechanismen erfunden, die den Transport des flüssigen Guts vereinfachten.
Ohne Wasser kein Leben
Diesem Grundsatz folgend bauten die Menschen des Altertums ihre Siedlungen am Saum des Nils, der ihnen Ernte und Erfrischung bot. Datteln, Feigen und Sykomoren wurden gepflanzt, Essen und Trinken soll das Volk.
Ein schöner Gedanke, in meinen Augen, das die weitgehende Sicherstellung dieser Bedürfnisse Platz für mehr machte: Gestaltung. Die tief verankerte Symbolik eines Gartens, der Leben und Fruchtbarkeit in sich trägt, zeugt von seiner Bedeutung als Lebensraum. Nicht mehr bloß Nahrung will man aus ihm gewinnen, er soll auch schön sein. Und die Menschen überlegten sich, wie den ein schöner Garten auszusehen hätte.
An diesem Punkt bedenke man die Ursprünglichkeit der Sache. Wild und unberechenbar war die Natur, die Menschen froh, sich nicht mehr ganz so arg in ihr behaupten zu müssen. Was also wäre passender, als ihrem Chaos die Symmetrie entgegenzustellen? Diese kleine Revolution erschuf den Garten im Hause, den Hof, den eine hohe Mauer von der Wildnis abschirmte.
Wasser spielte in der ägyptischen Gartengeschichte, wie im Alltag heutiger Gartenbauer, eine zentrale Rolle. Ob die rechteckigen Becken in solchen Höfen eine Huldigung an den großen Fluss oder doch nur Freude am kühlen Nass waren, darüber mag im Baumschatten philosophiert worden sein. Duftende Seerosen und Lotusblüten leuchteten in den eingefriedeten Wasserbecken. Gut möglich, das dort das Lustwandeln erfunden wurde.
Ägyptische Großstädte
Die großen Städte Memphis und Theben waren ziemlich dicht gebaut. Dem Urbanen Alltag entflohen schon die alten Ägypter gerne, dafür eignete sich ein Garten in den eigenen vier Wänden natürlich am besten. Schon weil es dort keine Löwen zu fürchten gab.
Die ganze Bedeutung des Gartens offenbarte sich in den Wünschen der Toten: einige wenige wollten Pyramiden, doch die meisten sehnten sich nach ihrem Stückchen Paradies. Was einem Menschen mit ins Grab gegeben wurde, so der Glaube, besäße dieser im Leben nach dem Tod. Also wurde den verstorbenen Blumen zur Seite gelegt, die Grabkammern mit Bildern von Garten und blühendem Bewuchs geschmückt. Ein Garten im Jenseits, darin wollten die Menschen dieser Zeit die Ewigkeit verbringen, es war ihr höchstes Gut.
Sogar die Götter schätzten Grünes. Eigens für sie wurden in den großartigen Tempelanlagen Blumen kultiviert, Weihrauchbäume aus fernen Ländern importiert und vor den Toren der Paläste eingepflanzt. Oftmals wurden solche Anlagen künstlich bewässert: ohne, Pumpen, ohne Filter, ohne Schläuche.
Gartengeschichte in Assyrien und Persien
Die Wüste Lebt: ähnlich wie in Ägypten nahm in zwei großen Reichen des alten Orients, Assyrien und Persien, die Idee des Gartens langsam Gestalt an. In der sengenden Hitze des vorderasiatischen Raumes war dem durstigen Wanderer jeder Baumschatten ein Segen, Oasen standen am Anfang der Gartengeschichte. Und der Höhepunkt mögen die legendären, hängenden Gärten Babylons gewesen sein, die von vergangener Blüte träumen lassen. Ob sie jemals wirklich dort standen, als grüne Inseln in der Hitze des Orients, werden wir vielleicht nie wissen. Gewiss ist nur, das die Sehnsucht nach paradiesischen Anlagen durch die Jahrtausende bestehen blieb: wo Milch und Honig fließen müssen auch Bäume stehen.
Geradlinigkeit ist eine alte Tugend, die in die Gestaltungen der Wüstenvölker Einzug hielt. Symmetrie und Regelmäßigkeit war die kultivierte Antwort auf das Durcheinander der Natur. Nur Reliefs blieben erhalten, die dies bezeugen. Obstbäume wurden gepflanzt, Zierpflanzen und Blumen kamen später. Schließlich mussten zuerst die Grundbedürfnisse gestillt werden, danach wuchs Raum für Ideen und Luxus. Den wussten die Mächtigen jener Zeit natürlich zu schätzen: Unter gewaltigem Aufwand wurden Bäume und Pflanzen von weither eingetragen, künstliche Bewässerungssysteme entwickelt und, wie in der uralten Ruinenstadt Ninive, sogar die Dächer bepflanzt. Wie die Wüsten-Gärtner die Wasserversorgung im vierten Stock gewährleisten konnten, ohne Hydraulik und Pumpen, wissen wir nicht mit Sicherheit. Um das kostbare Nass überhaupt erst zu gewinnen mussten ausgeklügelte Stollensysteme angelegt werden, sogenannte Qanate. Dadurch konnte langsam versickerndes Grundwasser in den Bergregionen abfangen und gefasst werden. Durch unterirdische Leitungen, und damit praktisch verdunstungsfrei, gelangte das lebensspendende Gut an Ort und Stelle. Für die damalige Zeit war es eine absolute Meisterleistung.
Das Gartenparadies
Unter den Bäumen speisen und leben wir, sie umgarnten Paläste und Tempel. Für die Lebensqualität des Volkes bauten die Könige, und für ihre Gemahlinnen: das Prinzip des Jagdgartens ersannen Nebukadnezar und Co. zum eigenen Vergnügen. Die Herren konnten sich in großen, eingezäunten Flächen, die vom Charakter her einem Landschaftspark geähnelt haben könnten, austoben. Der Garten bedeutete in dem Sinne beiden Geschlechtern viel: Zeitzeugen zitieren Kaiser, die ihren Garten geliebt haben. Dass die Rosen Eingang in ihre Parks und Anlagen gefunden haben, verdanken wir vielleicht trotzdem den Damen jener Tage.
Aus den Gartentrends des alten Orients destillierte sich ein markantes Wort heraus: Paradies. Es stammt vom griechischen paradeisos ab, was „Tiergarten“ oder „Park“ bedeutet. Und dieses wurde vom altiranischen pairi-daēza abgeleitet, was „umzäunter Bereich“ meint. Die Wortherkunft spiegelt geradezu die Gartengeschichte wieder, der so vieles in sich vereint. Wo die Wiege des Paradieses liegt, finden wir auch die eigentliche Wiege der Gartenkunst und die ersten ausgeprägten Stilelemente, die sich zum Teil bis heute bewährt haben.
Die Mauern und Wasserbecken, die schon in Ägypten gebaut wurden, ergänzten die Perser und Assyrer mit dem Motiv des Kreuzes: Tschahār Bāgh, der viergeteilte Garten, vier Flüsse aus Eden. Was wir heute in fast jeder Parkanlage vorfinden, wurde also vor Jahrtausenden ersonnen. Ein Lob auf die Gärtner der Wüste!